Vielfältige Winterstrategien

von Mori Baumann

Kalte Temperaturen, Schnee, eisiger Wind… Bei solchem Wetter ziehen wir sofort unsere gefütterten Schuhe, warmen Jacken und Mützen an. Doch nicht alle haben diesen Luxus. Wie überleben eigentlich die Tiere den Winter? Weshalb erfrieren und verhungern sie nicht?

Die kalte Jahreszeit ist eine Herausforderung für die Tiere. Um der winterlichen Kälte und Nahrungsknappheit zu trotzen, haben die Wildtiere in der Schweiz sehr spezifische Anpassungsstrategien entwickelt. Diese lassen sich grob in fünf Gruppen einteilen: Winterschlaf, Winterruhe, Winterstarre, Winterfell und Zugverhalten.

Den Winter verschlafen
Im Winterschlaf werden die Körpertemperatur, die Atemfrequenz und der Herzschlag so sehr reduziert, dass das Tier praktisch keine Energie zum Überleben benötigt. Das ist wichtig, da es den ganzen Winter nicht aufwacht, bis der Frühling kommt und es die Reserven wieder auffüllen kann. Igel, Fledermaus und Siebenschläfer halten einen Winterschlaf. Sie suchen dafür frostgeschützte Orte wie Baumhöhlen oder Aushaufen auf. Der Igel schläft drei bis vier Monate, der Siebenschläfer sogar bis zu sieben – daher sein Name.

Nur kurz etwas fressen
Bei der Winterruhe schlafen die Tiere nicht den ganzen Winter durch, sondern wachen zwischendurch immer wieder auf, um zu fressen, auszuscheiden und unter Umständen den Schlafplatz zu wechseln. Die Körpertemperatur wird nicht so stark gesenkt wie im Winterschlaf. Eichhörnchen machen Winterruhe. Sie sind dann jeden Tag ein bis zwei Stunden wach und suchen nach den Nüssen, die sie in den Herbstmonaten als Vorrat versteckt hatten.

Bewegung unmöglich
Reptilien und Amphibien gehen in eine Winterstarre (auch Kältestarre genannt). Da sie wechselwarm sind, also ihre Körpertemperatur stets die der Umgebung ist, haben sie keine Kontrolle über diesen Zustand. Wenn es kalt wird, erstarrt ihr Körper. Sie spüren aber, wenn die Tage kürzer werden, und suchen vorher ein Winterquartier auf. Dort warten sie, bis es wieder wärmer wird und sie sich bewegen können. Viele Amphibien und Reptilien sammeln sich und verbringen den Winter gemeinsam unter Steinen oder Totholz. Sie sterben nicht, wenn es draussen gefriert, da sie über einen Frostschutz in ihrem Blut verfügen. Auch der Zitronenfalter besitzt ein solches Frostschutzmittel. Er erstarrt im Winter und sieht dabei aus wie ein Blatt an einer Pflanze, welches noch nicht abgefallen ist. So ist er perfekt getarnt.

Aktiv im Winter
Tiere, die im Winter aktiv sind, müssen Energie aufwenden, damit sie warm bleiben können. Rehe beispielsweise fressen sich im Herbst eine Fettschicht an und ihr Fell wird dicker und somit wärmer – sie bekommen ein Winterfell. Da grüne, frische Pflanzen im Winter knapper werden, stellen einige pflanzenfressende Tiere auch ihre Nahrung um – Biber spezialisieren sich dann auf Rinde und Knospen von Weichholzarten, weshalb sich zu dieser Jahreszeit deutlich mehr Nagespuren an Bäumen finden. Fleischfresser wie der Fuchs passen ihr Jagdverhalten daran an, dass ihre Beute nun weniger aktiv oder unter einer dicken Schneedecke versteckt ist. Sie gehen lautlos über die Schneedecke und nutzen ihr feines Gehör, um Mäusebewegungen zu hören. Haben sie eine Maus entdeckt, springen sie in die Luft und stürzen sich mit viel Schwung kopfüber in den Schnee. Im besten Fall tauchen sie mit dem Beutetier in der Schnauze wieder auf.

Ab in den Süden
Einige Vögel und Insekten finden bei uns im Winter keine Nahrung mehr und es ist ihnen zu kalt – deshalb machen sie sich noch vor dem Wintereinbruch auf in wärmere Klimaregionen. Der Schmetterling Admiral fliegt dafür nach Südeuropa, der Storch kann sogar bis nach Südafrika fliegen. Das sind viele tausend Kilometer, die bewältigt werden müssen, und es ist eine sehr gefährliche Reise. Ältere Störche haben jedoch bemerkt, dass sie aufgrund der immer wärmeren Winter auch bei uns genug Nahrung bekommen und bleiben deshalb immer häufiger hier. Sie fressen nämlich gerne Mäuse, welche bei uns ganzjährig in ausreichender Zahl vorkommen.

Der Winter ist lang und kalt, dennoch sind unsere Wildtiere perfekt vorbereitet, die härtere Jahreszeit zu überstehen. Jedes kleine Grashälmchen, welches aus der Schneedecke hervorschaut, jede hängengebliebene Beere wird gefressen und trägt zum Überleben der Tiere bei. Mit etwas Glück können wir sie bei einem erfrischenden Spaziergang beobachten und uns danach in unserer beheizten Stube wieder aufwärmen.

 

Foto: fotofredi

 

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